Südkurier, 24.12.2004

"Arbeitgeber sind gegen Gewerkschafter Bonus"

Ein kurzer ap- Artikel und ein Kommentar dazu von Redakteur Rolf Dieterich.

Mein Anschreiben und der Leserbrief dazu. Wurde bisher nach meiner Kenntnis nicht abgedruckt und auch sonst keine Reaktion.


Artikel

Tarifpolitik

Arbeitgeber sind gegen Gewerkschafter Bonus

BERLIN (ap)

Führende Vertreter der Wirtschaft haben die Gewerkschaften vor einer tariflichen Besserstellung ihrer Mitglieder in den Betrieben gewarnt. "Der Unternehmer, der sich darauf einlässt, spielt mit dem Feuer", sagte der scheidende Industriepräsident Michael Rogowski gestern in Berlin. Auch Gesamtmetall Präsident Martin Kannegiesser warnte, dies sei ein "Schuss, der nach hinten losgehen wird". Verdi Chef Frank Bsirske sagte hingegen, bereits bestehende Sonderregelungen für Gewerkschaftsmitglieder müssten weiter verfolgt werden. Rogowski bezeichnete die in Nordrhein Westfalen von der IG Metall verfolgte Praxis als "schlichten Blödsinn". Dabei erhalten Gewerkschaftsmitglieder bei vom Flächentarif abweichenden Vereinbarungen Bonuszahlungen Oder werden von Kündigungen ausgenommen. KOMMENTAR


Kommentar

Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit als BDI Präsident hat Michael Rogowski noch einmal Klartext gesprochen: Einen Mitgliederbonus für Gewerkschafter hält er für schlichten Blödsinn.

Der Bonus ist eine schlechte Lösung

Von unserem Redakteur Rolf Dieterich

Ein hartes Urteil, gewiss. Aber Gewerkschaftsführer sind meist auch nicht zimperlich, wenn sie Vorschläge der Arbeitgeber kritisieren, von denen sie nichts halten. Deshalb werden die Herren Peters und Bsirske auch damit leben können, dass BDI Chef Michael Rogowski so deutlich sagt, wie er über einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder denkt. Mehr noch als die Gewerkschaftsfunktionäre müssen sich jedoch jene Unternehmer in Nordrhein- Westfalen von Michael Rogowski angesprochen fühlen, die sich auf entsprechende Vereinbarungen mit der IG Metall eingelassen haben. Sie werden es wohl auch bald bereuen, dass sie den Gewerkschaftern in ihrem Betrieb Vorteile gegenüber den Nicht Organisierten einräumen. So etwas kann das Betriebsklima nicht verbessern und wird zudem der Gewerkschaft neue Mitglieder zutreiben, was ja nicht im Sinne der Unternehmensleitung sein dürfte.
Aber auch die Gewerkschaft rüttelt mit solchen Bonus Vereinbarungen an Grundsätzen, die sie bisher immer hochgehalten hat. Denn wenn Gewerkschaftsmitglieder Sonderzahlungen erhalten, heißt das ja nichts anderes, als dass gleiche Arbeit ungleich bezahlt wird. Das aber widerspricht absolut dem Prinzip der Gerechtigkeit, das die wichtigste Grundlage für den sozialen und betrieblichen Frieden darstellt.


Mein Anschreiben:

Sehr geehrter Herr Dieterich, sehr geehrte Damen und Herren,

Anbei erhalten Sie meinen Leserbrief zum ap- Artikel "Arbeitgeber sind gegen Gewerkschafter Bonus" und Kommentar "Der Bonus ist eine schlechte Lösung".
Der ap- Artikel ist überflüssig, enthält er doch nur Wiederholungen von bekannten Sprüchen, aber wenigstens kurz.
Ihn dann auch noch durch einen doppelt umfangreichen Kommentar mit gleichen Unrichtigkeiten aufzublähen, ist mehr als überflüssig.
Leider ist dagegen aber so viel zu sagen, daß ich den Brief leider nicht weiter kürzen konnte.
Ihnen, Herrn Dieterich, füge ich zu Ihrer Information eine Kopie des MTV bei. Schon das Lesen des §1 wird Ihnen zeigen, daß Sie falsch liegen.
Unrichtiges wird auch durch vielfaches wiederholen nicht richtig.


Mein Leserbrief dazu:

Herr Rogowski hat kein Urteil gesprochen. Er ist parteiisch, deshalb taugt er nicht zum Richter. Es ist eine Meinung, die er geäußert hat. Und die falsch ist. Wissentlich, denn er hat bestimmt schon einmal einen Tarifvertrag gelesen. Z.B. den Metall- Manteltarifvertag (MTV) Südwürttemberg- Hohenzollern. Von seinem Arbeitgeberverband Südwestmetall unterschrieben, steht da im §1: "Geltungsbereich- Dieser Tarifvertrag gilt: ... für alle in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten, die Mitglied der IG Metall sind;..." Von Nichtorganisierten ist keine Rede, für sie gilt der Tarifvertrag also nicht. Warum sollen von der Gewerkschaft verhandelte Abweichungen vom Tarifvertrag für diejenigen gelten, für die schon der TV nicht gilt?
Tatsächlich wollen die Arbeitgeber die Möglichkeit, nach Ihrer eigenen Willkür Beschäftigte schlechter zu stellen als der TV. Gebrauch davon machen sie natürlich nur dann, wenn es ihnen (wirtschaftlich) nützt. Dafür gibt es ständig neue Beweise. In einem hiesigen tarifgebundenen Betrieb des EADS- Konzerns wurde unlängst einem 56-jährigen Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt. Obwohl doch im §4 MTV für alle über 53-jährigen Kündigungsschutz vom Arbeitgeberverband Südwestmetall vereinbart wurde. Warum trotzdem? Weil er kein Gewerkschaftsmitglied ist, also der MTV für ihn nicht gilt.
Das ist überhaupt nicht neu. Als sich die Dornier Luftfahrt GmbH in Immenstaad aufgelöste, wurden eine Reihe von betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen, auch gegenüber Mitarbeitern über 53. Vor dem Arbeitsgericht reichte dem Richter das Vorzeigen des IG Metall- Ausweises, um die Kündigung rechtskräftig aufzuheben, aber Nicht- Mitglieder flogen raus.
Und so lange die Arbeitgeber keinen Nutzen aus der Ungleichbehandlung ziehen, schüren sie die Suggestion, Gewerkschaften seien so etwas wie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die von Amts wegen für jedermann zuständig wäre. Damit nur ja keiner auf die Idee kommt, sich der mitgliedschaftlich organisierten Interessenvertretung der Arbeitnehmer, welches die Gewerkschaften tatsächlich sind, anzuschliessen. Leider vertrauen viele der, auch durch ihren Kommentator, öffentlich verbreiteten Desinformation der Arbeitgeber. Bis es sie selbst trifft.
Ich als Gewerkschafter kämpfe gemeinsamen mit den anderen Mitgliedern für unsere Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Unter anderem dadurch, daß wir ein Prozent unseres Einkommen Beitrag leisten, von dem z.B. Streikgeld gezahlt wird. Nur damit sind Streiks möglich. Nur durch sie wurden die letzten Lohnerhöhungen erkämpft. Aber nicht nur sie, sondern auch tarifliche Regelungen für Arbeitszeit, Urlaubstage, Urlaubsgeld, Entlohungsgruppen, Schichtzulagen, Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Alterskündigungsschutz und -verdienstsicherung, Übernahmegarantie für Azubi, sofortiger Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Alles das gibt es schlechter oder gar nicht auf gesetzlicher Grundlage. Und jedem, der dies annimmt, ohne Gewerkschaftsmitglied zu sein, steht das nach meiner Ansicht nicht einmal zu.
Somit ist es absolut richtig, gewerkschaftlich erkämpfte Regeln auch nur für Gewerkschafter anzuwenden. Egal ob TV oder Öffnungsklausel zum TV.
Schreiben Sie mir Ihre Meinung unter
mailto:arnim@eglauer.de

Letzte Aktualisierung: 29.12.04