Schwäbische Zeitung

"Unsicherheit im Schatten der Masten"

In einem Artikel am 14.04.2007 wurde mal wieder falsches über angebliche gesundheitliche Risiken von Mobilfunk wiederholt. .

Mein Leserbrief dazu. Wurde bisher nach meiner Kenntnis nicht abgedruckt.


Auszug aus dem Artikel

MARKDORF - Immer wieder flammen Diskussionen um Funkmasten auf – seien es nun welche für Handys oder andere Kommunikationsmittel. Im Stadtgebiet Markdorf sowie in Ittendorf und Riedheim stehen derzeit elf Stück der ungeliebten Anlagen. Außerdem gibt es zwei Messstationen, die die Strahlung im Auge behalten.

Von unserem Mitarbeiter Erich Nyffenegger

In Deutschland ist es die Bundesnetzagentur, die mit einem Standortverfahren dafür sorgt, dass Funkmasten nicht nach Belieben errichtet werden können. Es bedarf der Einhaltung bestimmter Regeln. Wenn so eine Anlage dann einmal steht, obliegt es der Agentur, die Strahlung zu messen und darauf zu achten, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Die Bundesnetzagentur sieht in Bezug auf Markdorf keinen Grund zur Sorge: „Die jüngsten Messungen belegen, dass die Grenzwerte sehr stark unterschritten werden“, sagte eine Sprecherin gegenüber der SZ.

Grenzwerte nicht ausgeschöpft

Die letzte Meessung durch die Bundesnetztagentur erfolgte an der Station in der Spitalstraße 4, und zwar am 27. September des vergangenen Jahres. Ergebnis: Die Grenzwerte sämtlicher Frequenzen sind nicht einmal zu einem halben Prozent ausgeschöpft. Zur Veranschaulichung: Dieser Wert verhält sich in etwa wie die Länge eines Streichholzes zur Höhe einer Litfasssäule. Selbst in der Schweiz, wo die Grenzwerte nur ein Hundertstel der deutschen betragen dürfen, wären die Markdorfer Messungen noch weit unter der Bedenklichkeit. Sind die Befürchtungen der Mobilfunkgegner also vollkommen unbegründet?

Auf den ersten Blick vielleicht schon. Aber: Die Grenzwerte hat die Strahlenschutzkommission erarbeitet, sie bewegt sich mit ihren Erkenntnissen allerdings auf einem Terrain, das noch weitgehend unerforscht ist. Dass verschiedene Länder ganz unterschiedliche Grenzwerte haben, verdeutlicht die Unsicherheit auf diesem Gebiet zusätzlich. Langzeitstudien, die eine vollkommene Gefahrlosigkeit von elektromagnetischer Strahlung im erlaubten Rahmen belegen, gibt es nicht.

Susanne Vahlensieck von der Bürgerinitiative „Sendemast Spitalstraße“ sieht die Grenzwerte skeptisch. „Da geht es nur um die thermischen Auswirkungen“, bemängelt sie. Wichtig seien aber die Effekte, die nichts mit der Erwärmung zu tun haben. Etwa Phänomene wie Schlafstörungen oder befürchtete Auswirkungen auf das Immunsystem. Dass es keine gesicherte Erkenntnisse in diesen Fragen gibt, weiß auch Susanne Vahlensieck. „Aber muss man denn immer darauf warten, bis negative Wirkungen bewiesen sind?“ Sie führt als Beispiel Asbest ins Feld. Da hat es auch Jahrzehnte gedauert, bis es keine Zweifel mehr an der Gefährlichkeit gab. So lange wollen die Mobilfunkgegner nicht warten – vor allem auch deshalb, weil ihrer Meinung nach Masten für unnötige Technik aufgestellt werden. Stichwort UMTS: „Das nutzt doch fast niemand – aber für die paar Wenigen muss man technisch bedingt besonders viele Masten aufstellen“, klagt Susanne Vahlensieck.

Standorte in Markdorf

Gefahr hin oder hier – dies sind die aktuellen Standorte in Markdorf, wie sie die Stadtverwaltung der SZ zur Verfügung gestellt hat. Mobilfunkmasten befinden sich in der Zeppelinstraße, in den Oberen Wanger Halden, in der Ensisheimer Straße, Im Mühlöschle und in der Spitalstraße. Außerdem ist ein Standort im Gewerbegebiet Oberfischbach geplant. In Ittendorf steht ein Mobilfunksender im Wirrensegel, auf der Gemarkung Riedheim im Bereich Oberleimbach und auf dem Turm Gehrenberg. Die übrigen Standorte sind Richtfunkanlagen und solche, die Polizei, Feuerwehr und Rettung für ihre Zwecke nutzen.

Was aus dem Masten in der Spitalstraße wird, wird am Montag entschieden. Im Augenblick ist gegen ihn eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen anhängig. Kritiker bemängeln, dass der Mast durch die unmittelbare Nähe zu Kindergarten und Altenheim in einem hoch sensiblen Bereich stehe. Dennoch bleibt es dabei: Zu Risiken und Nebenwirkungen der Mobilfunkstrahlung können auch Arzt oder Apotheker nichts Verbindliches sagen.


Mein Leserbrief dazu:

Der Artikel besteht aus einer Ansammlung von falschen Informationen, die zwar immer wieder von Mobilfunkgegnern wiederholt werden, dadurch aber kein kleines bisschen wahrer werden. Insofern trägt auch dieser Artikel leider zur Verunsicherung Unwissender weiter bei.

1. „Die Strahlenschutzkommission bewege sich auf unerforschtem Terrain.“ Richtig ist: Die SSK hat im Jahre 2001im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Bewertung [1] der Grenzwerte der ICNIRP als Vorbereitung der Neufassung der 26. BImSchV [2] vorgenommen. Dabei wurden schon damals die Erkenntnisse aus fast 200 vorliegenden Studien berücksichtigt. Seither wird mit einem gigantischem Aufwand (von allein 17 Mio € ca. im „Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm“ für 5 Jahre) geforscht. Jeder Verdachtsfall aus früheren Studien wurde durch folgende weitere Untersuchungen entkräftet. Zusammenfassend ist dies nachzulesen in der Unterrichtung des Bundestages durch die Regierung [3] aus Mitte 2006, gemeinsam erstellt durch die Bundesministerien (BM) für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit Bundesamt für Strahlenschutz und Strahlenschutzkommission, BM für Wirtschaft und Technologie und BM für Bildung und Forschung.

2. „Es seien nur thermische Auswirkungen betrachtet.“ Richtig ist: Entgegen vielfach von Mobilfunkgegnern aufgestellten Behauptungen hat die Kommission ausdrücklich auch nichtthermische Wirkungen betrachtet. Damit hat sich sogar der BGH auseinandergesetzt [4] und hat keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Vorschrift die anzuwendende ist, dass nichtthermische Wirkungen in den dortigen Grenzwerten berücksichtigt sind und es somit keine Gesetzeslücke gibt, die geschlossen werden müsste.

3. „Verschiedene Länder hätten ganz unterschiedliche Grenzwerte.“ Richtig ist: Die meisten Länder haben die Empfehlungen der ICNIRP in geltendes nationales Recht übernommen. [5] Diese Werte sind auch von der EU so anerkannt.[6]

4. „Die Unterschiedlichkeit der Grenzwert verdeutliche Unsicherheit.“ Richtig ist: Die wenigen Länder, die abweichen, nutzen ihre Souveränität aus. So wie andere, die z.B. unterschiedliche Grenzwerte für Belastung der Luft aufstellen. Das ist ihr politisches Recht. Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, dass es eine Unsicherheit über die Gefährlichkeit von Staub und Ozon gäbe. Richtig finde ich es, mit niedrigen Grenzwerten auf der sicheren Seite zu bleiben, so wie uns in Sachen Mobilfunk der Fall.

5. „Die Schweizer Grenzwerte betrügen nur 1/100-stel der Deutschen.“ Richtig ist: In der Schweiz gilt die "Verordnung über den Schutz vor ionisierender Strahlung (NISV)" [7]. Für die Dauerbelastung gelten für die Summe aller Einstrahlungen die "Immissionsgrenzwerte", für GSM 1800 MHz nach der Formel 1,375 mal Wurzel aus der Frequenz, ergibt 8,92 Watt pro Quadratmeter. Das sind die ICNIRP- Werte, genau wie bei uns. Es gibt allerdings für "Orte empfindlicher Nutzung", das sind die Innenräume von Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Büros, Kinderspielplätze, ein zusätzlicher verringerter Vorsichtswert, genannt "Anlagengrenzwert" durch eine einzelne(!) Anlage, für GSM 1800 MHz 6 Volt pro Meter entsprechend 95,6 Milliwatt pro Quadratmeter. Einstrahlungen mehrer Anlagen addieren sich und dürfen das nach Schweizer Recht auch. Aber nicht über den o.a. "Immissionsgrenzwert" hinaus.

6. „Langzeitstudien gäbe es nicht.“ Richtig ist: Nur Mobilfunkgegner berufen sich immer wieder auf Kurzzeitstudien. Denn nur diese, z.B. „Netanya“ oder „Naila“ liefern ihnen Anlass zu Spekulationen über die angebliche Gefährlichkeit von Mobilfunk. Der einzige Grund dafür liegt in der zu geringen Dauer und zu geringen Stichproben, eine Todsünde für jeden Statistiker und mathematisch halbwegs gebildeten Menschen. Längerdauernde Studien werden ignoriert, weil sie Mobilfunkgegnern nicht genehm sind. Da gibt es z.B. die Untersuchung des Krebsregisters Bayern mit einer Datenbasis von 177.428 Einwohner mit 242.508 beobachteten Personenjahren und 1116 aufgetretenen bösartigen Neubildungen. Klares Ergebnis: „Weder bei der Inzidenz aller bösartigen Neubildungen noch bei der Inzidenz von strahlenempfindlichen Tumoren (Schilddrüse bzw. Gehirn/Nervensystem) ist ein Zusammenhang mit der Senderdichte erkennbar.“[8]

7. „Anlagen seien ungeliebt.“ Richtig ist: Fast alle Bürger wollen mobil telefonieren, tun dies auch und akzeptieren die Notwendigkeit der technischen Anlagen dafür.

Quellenhinweise:

[1] Bericht der Strahlenschutzkommission „Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern“, SSK, 13./14. 09. 2001, siehe z.B. www.ssk.de

[2] 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionschutzgesetzes, siehe z.B. www.juris.de

[3] Bundestagsdrucksache 16/1791, 06.06.2006, siehe u.a. www.bundestag.de

[4] Entscheidung V ZR 217/03, 13. Februar 2004, siehe u.a. www.bundesgerichtshof.de

[5] Mobilfunkinformationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, siehe u.a. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Telekommunikation-und-Post/mobilfunk,did=38232.html

[6] Empfehlung des Rats der EU, Juli 1999, siehe u.a. http://eur-lex.europa.eu/pri/de/oj/dat/1999/l_199/l_19919990730de00590070.pdf

[7] Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) vom 23. Dezember 1999 (Stand am 1. Februar 2000), siehe u.a. http://www.admin.ch/ch/d/sr/c814_710.html

[8] Bevölkerungsbezogenes Krebsregister Bayern, „Krebsinzidenz im Umkreis von Mobilfunkbasisstationen“, siehe http://www.ekr.med.uni-erlangen.de/publikationen.html


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Letzte Aktualisierung: 23.04.07